Palantir und die Rule of 40: Eine Bestandsaufnahme der KI-Power

Palantirs jüngste Quartalszahlen waren außerordentlich, gekennzeichnet durch ein Umsatzwachstum von 63 % und eine bereinigte operative Marge von 51 %. Diese Kombination aus schnellem Wachstum und hoher Profitabilität führt zu einem beispiellosen "Rule of 40"-Score von 114, was die einzigartige Marktposition des Unternehmens in der KI-Revolution unterstreicht. Trotz der spektakulären Performance und der strategischen Partnerschaften, wie der mit NVIDIA, bleibt die Aktie aufgrund ihrer historischen Volatilität und hohen Bewertung eine Anlage für risikobewusste Investoren.

11/7/20254 min read

Das jüngste Quartalsergebnis von Palantir hat die Anlegerwelt in Aufregung versetzt. Die Zahlen waren nicht nur gut, sie waren außergewöhnlich und unterstreichen die zentrale Rolle, die das Unternehmen in der künstlichen Intelligenz (KI) zu spielen scheint. Für Aktionäre und die, die es werden wollen, geht es dabei nicht mehr nur um einfache Umsatz- oder Gewinnkennzahlen. Ein entscheidender Maßstab, den Palantir selbst vehement in den Vordergrund stellt, ist die sogenannte "Rule of 40". Doch was verbirgt sich hinter dieser Regel, und warum ist Palantirs aktueller Score so bemerkenswert?

Die Rule of 40: Der Kompass für Wachstumsunternehmen

Die Rule of 40 ist eine einfache, aber äußerst wirkungsvolle Daumenregel, um die Gesundheit von Wachstumsunternehmen, insbesondere im Softwarebereich, zu bewerten. Herkömmliche Kennzahlen wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) stoßen hier oft an ihre Grenzen, da viele junge, expandierende Firmen ihre Gewinne zunächst wieder reinvestieren und somit niedrige oder keine Gewinne ausweisen. Ein hohes KGV würde sie dann auf den ersten Blick überteuert erscheinen lassen – ein Trugschluss, wenn das Wachstum explosiv ist.

Die Rule of 40 löst dieses Dilemma, indem sie zwei zentrale Faktoren kombiniert: Umsatzwachstum und operative Marge. Die Regel besagt, dass die Summe aus dem jährlichen Umsatzwachstum (in Prozent) und der operativen Marge (in Prozent) mindestens 40 betragen sollte.

Formel: Umsatzwachstum (%) + Operative Marge (%) ≥ 40

Ein Unternehmen, das also 30 % Umsatzwachstum bei einer operativen Marge von 10 % erzielt, erreicht einen Score von 40 und gilt damit als gesund und ausbalanciert. Es opfert nicht alle Profitabilität für Wachstum (hohes Wachstum, negative Marge) und wächst auch nicht nur träge vor sich hin (geringes Wachstum, hohe Marge). Es findet einen optimalen Kompromiss. Ein Score von deutlich über 40 weist auf ein außergewöhnliches Unternehmen hin, während ein Wert darunter auf potenzielle Probleme hindeuten kann.

Warum die Rule of 40 so wertvoll ist:

  • Vergleichbarkeit: Sie ermöglicht einen "äpfel-mit-äpfel"-Vergleich zwischen Unternehmen unterschiedlicher Größe und mit unterschiedlichen Wachstums- und Profitabilitätsprofilen.

  • Zukunftsorientierung: Sie belohnt sowohl aktuelles Profitabilitätsstreben als auch Investitionen in zukünftiges Wachstum.

  • Risikobewertung: Ein konstant hoher Score kann auf ein nachhaltiges Geschäftsmodell und einen wettbewerbsfähigen Vorsprung (MoAT) hindeuten.

Palantirs Meisterleistung: Eine Rule-of-40-Ausnahmeerscheinung

Palantirs jüngste Zahlen lesen sich wie ein Lehrbuchbeispiel für die Übererfüllung dieser Regel. Im betrachteten Quartal meldete das Unternehmen:

  • Umsatzwachstum von 63 % (jahr-on-jahr)

  • Bereinigte operative Marge von 51 %

Daraus ergibt sich ein schwindelerregender Rule-of-40-Score von 114 (63 + 51).

Um dies einzuordnen: In der Welt der Rule of 40 gilt ein Score von 50 bereits als olympiareif. Palantir operiert hier in einer eigenen Liga. Das Unternehmen stellt in seiner Präsentation diesen Score explizit dem seiner Peers gegenüber. Während solide Softwareunternehmen wie Adobe oder Autodesk Werte um 55 erreichen und absolute Schwergewichte wie Microsoft oder Meta in den 70ern liegen, werden nur wenige Konzerne wie NVIDIA (120) oder der Pharmariese Eli Lilly (102) annähernd so hohe Werte erzielen.

Es ist wichtig zu verstehen, dass Palantirs Score nicht aus extrem hohem Wachstum bei niedriger Marge oder umgekehrt resultiert. Die fast ausgewogene Mischung aus hyperaggressivem Wachstum (63 %) und gleichzeitig üppiger Profitabilität (51 %) ist in dieser Größenordnung äußerst selten. Dies unterstreicht die Skalierbarkeit und die hohe Nachfrage nach Palantirs Plattform-Lösungen.

Die Treiber hinter der Zahl: Mehr als nur Umsatz

Hinter diesen abstrakten Prozentwerten steht eine fundamentale Stärke des Geschäftsmodells:

  1. Explodierende Kundenbasis: Die Anzahl US-amerikanischer kommerzieller Kunden stieg um 65 % im Jahresvergleich. Für je drei Kunden vor einem Jahr kommen heute zwei neue hinzu.

  2. Steigende Kundenbindung und -ausgaben: Der "Net Dollar Retention Rate" von 134 % bedeutet, dass bestehende Kunden im Schnitt 34 % mehr ausgeben als im Vorjahr. Sie vertiefen also ihre Nutzung der Palantir-Produkte.

Die Multiplikation dieser beiden Faktoren – mehr Kunden, die jeweils mehr ausgeben – erklärt das explosive Umsatzwachstum von 121 % im US-Commercial-Bereich. Dies ist ein Zeichen für organischen, nachhaltigen Wachstum und nicht für ein einmaliges, großes Geschäft.

Bewertung und Ausblick: Ist es zu spät für einen Einstieg?

Die fundamentale Performance ist unbestritten stark. Palantir hat sich als kritische Infrastruktur für Enterprise-KI etabliert. Während KI-Modelle wie ChatGPT die "Chips" der Revolution sind, benötigen große Unternehmen Plattformen, um diese Modelle in ihre komplexen Datenlandschaften und Workflows zu integrieren – genau hier setzt Palantir an.

Dennoch wirft der massive Kursanstieg der Aktie (um etwa 270 % im Jahresvergleich) die Frage auf, ob die positive Nachrichtenlage bereits eingepreist ist. Die Aktie ist bekannt für ihre Volatilität und hat in der Vergangenheit schon mehrfach scharfe Korrekturen von über 20 % erlebt, selbst in diesem Jahr.

Fazit

Palantirs jüngstes Quartalsergebnis war eine Machtdemonstration. Die detaillierte Betrachtung der Rule of 40 zeigt, dass das Unternehmen nicht nur schnell wächst, sondern dieses Wachstum auch außerordentlich profitabel generiert. Es steht damit in einer Reihe mit absoluten KI-Champions wie NVIDIA. Der Rule-of-40-Score von 114 ist ein klares Indiz für die Qualität des Geschäftsmodells und seine zentrale Rolle in der KI-Transformation der Industrie.

Für potenzielle Anleger bedeutet dies: Während die Fundamentaldaten überzeugend sind, verlangt die hohe Bewertung und die historische Volatilität der Aktie ein klares Verständnis des eigenen Risikoprofils. Eine langfristige, strategische Betrachtung, die mögliche Kurseinbrüche als Chance zum Nachkaufen sieht, erscheint angemessener als der Versuch, den perfekten Einstiegszeitpunkt zu timen. Palantir ist keine Wette mehr, es hat sich zu einer der Schlüsselfiguren im KI-Ökosystem entwickelt – mit allen Chancen und Risiken, die eine solche Position mit sich bringt.